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Update Urlaubsrecht - Neues zur Verjährung von Urlaubsansprüchen

Datum: 16. Februar 2023
Labor, Employment, and Workplace Safety Alert

Hintergrund

Die Umsetzung der Rechtsprechung rund um den Verfall von Urlaubsansprüchen beschäftigt die Arbeitswelt immer wieder: Seit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) aus dem Jahr 2018 (Az. C-684/16) sowie der daran anknüpfenden Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) aus dem Jahr 2019 (Az. 9 AZR 541/15) steht fest, dass Urlaub nur verfallen kann, wenn Arbeitnehmer durch ihren Arbeitgeber aufgrund angemessener Unterrichtung tatsächlich in die Lage versetzt wurden, ihren Urlaubsanspruch wahrzunehmen. Wir berichteten hierüber bereits in unserem Alert vom 1. August 2019 (https://www.klgates.com/de-DE/Verfall-von-Urlaubsanspruchen-Neue-Pflichten-fur-Arbeitgeber-in-Deutschland-8-1-2019)

Im September 2022 (Az. C-120/21) hat der EuGH nun auch zur Verjährung von Urlaubsansprüchen klargestellt, dass der Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer vor dem Interesse der Arbeitgeber an Rechtssicherheit vorrangig ist.

Die neuen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts

BAG, Urteil vom 20.12.2022 - 9 AZR 266/20

Unter Beachtung dieser Vorgaben hat das BAG zunächst am 20. Dezember 2022 entschieden, dass der gesetzliche Anspruch von Arbeitnehmern auf bezahlten Jahresurlaub zwar grundsätzlich der gesetzlichen Verjährungsfrist unterliegt. Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt dabei allerdings erst am Ende des Kalenderjahres zu laufen, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen gemäß den Vorgaben des EuGH unterrichtet, der Arbeitnehmer den Urlaub aber dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Ohne eine korrekte Unterrichtung über das Bestehen und den Verfall der Urlaubsansprüche können diese also grundsätzlich nicht verjähren.

BAG, Urteil vom 31.01.2023 - 9 AZR 456/20

Des Weiteren hat das BAG mit Urteil vom 31. Januar 2023 nun entschieden, dass die dreijährige Verjährungsfrist auch bei finanziellen Abgeltungsansprüchen für nicht genommenen Urlaub nach Ende eines Arbeitsverhältnisses gilt, und zwar unabhängig davon, ob der Arbeitgeber in den Jahren zuvor seinen Unterrichtungsobliegenheiten nachgekommen ist, oder nicht. Diese Frist beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem das Arbeitsverhältnis beendet wird. Das Gericht sieht in der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Zäsur. 

Für „Altfälle“ gilt jedoch eine Übergangsfrist: Sofern das Arbeitsverhältnis vor der Entscheidung des EuGH aus dem Jahr 2018 endete, war es für den Arbeitnehmer nicht zumutbar, Klage auf Abgeltung zu erheben. Daher konnte die Frist nicht vor Ende des Jahres 2018 beginnen und endete demnach in den Altfällen frühestens zum Schluss des Jahres 2021. Hiervon ausgenommen sind die Urlaubsabgeltungsansprüche aus dem Jahr des (unterjährigen) Ausscheidens: insoweit beginnt die Verjährung in jedem Fall mit dem Jahr des Ausscheidens.

BAG, Urteil vom 31.01.2023 - 9 AZR 244/20

Schließlich hat das BAG mit einer weiteren Entscheidung vom 31. Januar 2023 klargestellt, dass der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, nicht genommenen Urlaub nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten, nach Maßgabe einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist verfallen kann. Auch in dieser Entscheidung kommt jedoch eine Übergangsfrist in Fällen zum Tragen, in denen Arbeitsverhältnisse vor der Entscheidung des EuGH aus 2018 beendet wurden: Die Ausschlussfrist, innerhalb welcher Abgeltungsansprüche geltend zu machen waren, begann in diesen Fällen erst mit der Bekanntgabe des Urteils (Ende 2018) zu laufen.

Unsere Anmerkungen und Hinweise

Um die Geltendmachung von Urlaubsansprüchen auch noch Jahre nach einer vermeintlichen Verjährung zu vermeiden und ein entsprechendes Kostenrisiko zu minimieren, sollten Arbeitgeber die ordnungsgemäße Unterrichtung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über offene Urlaubsansprüche sicherstellen. Außerdem sollte der Zugang der Urlaubsunterrichtung unbedingt nachweisbar sein - beispielsweise durch Empfangsbekenntnisse. 

Die jährliche und individuelle Urlaubsunterrichtung sollte nach bisheriger Rechtsprechung jedenfalls die folgenden Gesichtspunkte beinhalten: 

  • Information über den individuellen Urlaubsanspruch; 
  • Aufforderung von diesem Urlaub Gebrauch zu machen; und
  • Belehrung über möglichen Verfall nicht genommener Urlaubstage.

Ein Kumulieren von Urlaubsansprüchen aus mehreren Jahren kann nur vermieden werden, indem der Arbeitgeber seine Unterrichtungspflichten für Urlaub aus zurückliegenden Jahren im aktuellen Urlaubsjahr nachholt. Sonderkonstellationen - beispielsweise aus Gründen der Langzeiterkrankung, Schwerbehinderung, Mutterschutz oder Elternzeit - sollten ebenfalls in der individuellen Urlaubsunterrichtung berücksichtigt werden. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Höhe des Urlaubsanspruchs, als auch in Bezug auf dessen Verfall. Für vertraglichen Zusatzurlaub kann hingegen geregelt werden, dass dieser auch ohne entsprechende Unterrichtung verfällt.

In der Praxis können die Entscheidungen insbesondere dramatische Folgen haben, wenn die Unterrichtung nicht mehr mit der Folge nachgeholt werden kann, den Urlaub in Natur zu nehmen - etwa bei mittlerweile stillgelegten Betrieben. Dies kann weitreichende Folgen für die Abwicklung des Unternehmens mit sich bringen. In Fällen der geplanten vollständigen Betriebseinstellung sollte daher frühzeitig geprüft werden, ob Unterrichtungs- und Belehrungspflichten bzgl. des Urlaubs durchgeführt wurden oder gegebenenfalls nachgeholt werden müssen. Letzteres gilt ebenso bei der Übernahme und Fortführung von Betrieben, um unliebsame Überraschungen für den Erwerber zu vermeiden.

Arbeitgeber sind daher gehalten, ihre Risiken durch möglichst sorgfältige Erfüllung der Unterrichtungspflichten sowie vertragliche Gestaltungen zu begrenzen.

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