Frauenquote im Vorstand
Durch das Zweite Führungspositionen-Gesetz sollen die Regelungen für die gleichberechtigte Teilnahme von Frauen an Führungspositionen weiterentwickelt werden. Im Bereich der Privatwirtschaft sollen eine verbindliche Frauenquote in mindestens vierköpfigen Vorständen börsennotierter und zugleich paritätisch mitbestimmter Unternehmen, Begründungspflichten für die Festlegung der Zielgröße Null auf Organ- und Führungsebenen sowie entsprechende handelsbilanzrechtliche Berichtspflichten eingeführt werden.
Das Bundeskabinett hat am 6. Januar 2021 den Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilnahme von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst beschlossen (Zweites Führungspositionen-Gesetz - FüPoG II).
Das FüPoG II soll das erste Führungspositionen-Gesetz aus dem Jahr 2015 ergänzen und in seiner Wirksamkeit verbessern. Ziel ist es, den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen und damit die gleichberechtigte Teilnahme von Frauen und Männern in Führungspositionen zu fördern.
Die folgenden Ausführungen sollen einen Überblick über die wesentlichen Auswirkungen des FüPoG II auf Unternehmen der Privatwirtschaft geben und insbesondere auch Schlussfolgerungen für die Praxis aufzeigen. Auf die ebenfalls durch das FüPoG II geregelten speziellen Neuerungen für Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes und Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie den öffentlichen Dienst wird im Folgenden nicht eingegangen.
1. Mindestbeteiligungsgebot für Vorstände
Die zentrale Neuerung des FüPoG II ist die Einführung einer Mindestbeteiligung von Frauen (und Männern) in Vorstandsgremien börsennotierter und zugleich paritätisch mitbestimmter Aktiengesellschaften oder SEs (Europäische Aktiengesellschaften - Societas Europaea). Diese Unternehmen sind bisher nach § 76 Abs. 4 AktG lediglich verpflichtet, sich selbst Zielgrößen für den Frauenanteil im Vorstand zu setzen, wobei auch eine Zielvorgabe von Null zulässig ist.
Konkret sieht die Neuregelung für die börsennotierte AG, für die das Mitbestimmungsgesetz, das Montan-Mitbestimmungsgesetz oder das Mitbestimmungsergänzungsgesetz gilt, vor, dass in einem Vorstand, der aus mehr als drei Personen besteht, mindestens eine Frau und ein Mann vertreten sein müssen. Der Gesetzesentwurf bezeichnet dies als Mindestbeteiligungsgebot. Anders als bei einer Quotenregelung ist die Vorgabe, dass jeweils ein Mann und eine Frau vertreten sein sollen, damit unabhängig von der Gesamtzahl der Vorstandsmitglieder.
Durch die Anknüpfung an die Größe des Vorstandsgremiums soll sichergestellt werden, dass nur solche Unternehmen erfasst werden, denen sich aufgrund der Ausgestaltung ihres Leitungsorgans die Möglichkeit bietet, dass mindestens ein Mann und mindestens eine Frau im Vorstand des Unternehmens vertreten sind. Der Gesetzentwurf beruft sich zudem auf Studien, denen zufolge die Vorstandsgröße von vier Mitgliedern ein verlässlicher Indikator für bedeutende Unternehmen sei, die eine besondere Ausstrahlungswirkung auf die deutsche Wirtschaft hätten und durch ihre weltweite Tätigkeit die deutsche Wirtschaft international repräsentierten. Gerade für diese Unternehmen werde die Einhaltung von Nachhaltigkeitsstandards, wie etwa die Frauenförderung, immer wichtiger, um für institutionelle Investoren im internationalen Vergleich attraktiv zu bleiben. Durch die zusätzliche Anknüpfung an die paritätische Mitbestimmung soll wie bei der fixen Aufsichtsratsquote sichergestellt werden, dass Unternehmen betroffen sind, die einer besonderen Sozialbindung unterliegen und die aufgrund der Größe ihrer Belegschaft eine hohe gesellschaftliche Identifikationskraft haben.
Für den Vorstand einer börsennotierten dualistischen SE sollen die Vorgaben entsprechend gelten, wenn deren Aufsichtsrat aus derselben Anzahl von Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern besteht (§ 16 Abs. 2 SEAG-E). Ebenso gilt die Vorgabe ab dem vierten Mitglied bei geschäftsführenden Direktoren einer börsennotierten, monistischen SE, deren Verwaltungsrat aus derselben Zahl von Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern besteht (§ 40 Abs. 1a SEAG-E).
Bestellungen, die gegen das Beteiligungsgebot verstoßen, sind nichtig. Das gilt auch, wenn etwa mehrere Vorstände en bloc bestellt werden und dabei das Beteiligungsgebot nicht eingehalten wird. In diesem Fall wäre die Bestellung jedes neuen Vorstandsmitglieds nichtig.
Das Beteiligungsgebot soll für Bestellungen nach Ablauf einer Übergangsfrist von acht Monaten nach Inkrafttreten des FüPoG II gelten. Bestehende Mandate können weiterhin bis zu ihrem vorgesehenen Ende wahrgenommen werden. Die Mindestbeteiligung von Frauen und Männern gilt daher ab der ersten nach Ablauf der Übergangsfrist freiwerdenden Vorstandsposition, mithin nicht nur für Neubestellungen, sondern auch für anstehende Wiederbestellungen von Vorstandsmitgliedern.
Nach unseren Informationen ist derzeit geplant, dass das Gesetz am 7. Mai 2021 den Bundesrat (2. Durchgang) passieren soll. Eine Verkündung ist dann zeitnah zu erwarten, so dass noch mit einem Inkrafttreten im Mai 2021 zu rechnen ist (gem. Art. 27 FüPoG II tritt das Gesetz am Tag nach der Verkündung in Kraft).
Für das Mindestbeteiligungsgebot bedeutet dies, dass nach einer achtmonatigen Übergangsfrist voraussichtlich ab 1. Januar 2022 die Vorgaben bei Neubestellungen von Vorständen zu berücksichtigen sind.
2. Fixe Quote für den Aufsichtsrat bleibt unverändert
Für den Aufsichtsrat einer börsennotierten, mitbestimmten Gesellschaft gilt schon seit dem FüPoG von 2015 gemäß § 96 Abs. 2 AktG eine Mindestquote von 30% Frauen und Männern. Die noch im Referentenentwurf vorgesehene Ausweitung dieser fixen Quote auf Gesellschaften, die mitbestimmt aber nicht börsennotiert sein müssen, hat keinen Eingang in den Regierungsentwurf gefunden. Damit soll die fixe Quote auch weiterhin nur für Gesellschaften gelten, die mitbestimmt und zugleich börsennotiert sind. Neu ist lediglich, dass die Quote nun aber von einer Berichtspflicht nach § 289f Abs. 2 HGB-E flankiert wird (dazu 4.).
3. Verschärfung der Zielgrößenregelungen
Kapitalgesellschaften, die entweder börsennotiert oder mitbestimmt sind, müssen sich bereits seit dem FüPoG von 2015 selbst Zielgrößen für den Frauenanteil in Aufsichtsrat und für die Geschäftsleitung (Festlegung jeweils durch den Aufsichtsrat) sowie in den beiden Führungsebenen unterhalb der Geschäftsleitung (Festlegung durch die Geschäftsleiter) geben.
Der Gesetzentwurf stellt nun klar, dass eine Verpflichtung zur Festlegung von Zielgrößen für den Aufsichtsrat nicht besteht, wenn für diesen nach § 96 Abs. 3 AktG die fixe Mindestquote gilt (vgl. § 111 Abs. 5 S. 8 AktG-E). Gleiches gilt, wenn das neue Mindestbeteiligungsgebot nach § 76 Abs. 3a AktG-E greift (vgl. § 111 Abs. 5 S. 8 AktG-E).
Relevant dürfte die Zielgrößenfestlegung aber bei börsennotierten, paritätisch mitbestimmten Gesellschaften für die Besetzung der beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstandes bleiben, sowie im Falle, dass der Vorstand aus maximal drei Personen besteht.
a. Begründungspflicht für die Zielgröße Null
Zulässig ist bisher (vorbehaltlich des Verschlechterungsverbots) die Festlegung der Zielgröße auf Null. Dies soll auch weiterhin so sein, jedoch soll der Aufsichtsrat bzw. die Geschäftsleitung in diesem Fall zusätzlich verpflichtet sein, die Entscheidung zur Festsetzung der Zielgröße auf Null klar und verständlich sowie unter ausführlicher Darlegung der zugrundeliegenden Erwägungen zu begründen. Die Begründung ist in die Erklärung zur Unternehmensführung gem. § 289f HGB aufzunehmen (dazu 4).
b. Angabe einer absoluten Zahl an Frauen
Anders als bisher darf sich die Festlegung der Zielgrößen nicht auf den Frauenanteil im jeweiligen Gremium bzw. auf der jeweiligen Führungsebene beschränken, sondern muss in absoluten Zahlen die angestrebte Gesamtzahl der weiblichen Führungskräfte im Vorstand, im Aufsichtsrat und in den beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands (jeweils separat) festlegen.
Damit soll es der Öffentlichkeit erleichtert werden, die Entwicklung der Teilhabe von Frauen an Führungspositionen nachzuvollziehen und leichter den Ist-Zustand mit den Zielgrößen vergleichen zu können, ohne die jeweilige Gesamtbesetzungszahl kennen zu müssen. In der deutschen Industrie wird hiergegen der Kritikpunkt geäußert, dass vor dem Hintergrund etwa von Reorganisationen und Unternehmensverkäufen aus dem Konzern absolute Zahlen nur schwer prognostiziert werden können.
4. Erweiterung der Pflicht zur Berichterstattung
Bereits jetzt sind Gesellschaften, die Zielgrößen festzulegen haben, verpflichtet, die getroffenen Festsetzungen in einer Erklärung zur Unternehmensführung im Lagebericht zu veröffentlichen (§ 289f HGB).
Nach dem FüPoG II besteht korrespondierend mit der Mindestbeteiligungsregelung für den Vorstand nun für die betroffenen Gesellschaften auch eine Verpflichtung, zu berichten, ob die Vorgabe zur Mindestbeteiligung des Vorstands mit Frauen eingehalten wurde, und falls dies nicht der Fall war, eine Begründung für die Nichterfüllung anzugeben. Die Begründungspflicht dürfte sich dabei allein auf den Fall beziehen, dass ein Vorstand sich aus mehr als drei Mitgliedern eines Geschlechts zusammensetzt, weil seit Inkrafttreten des Beteiligungsgebotes noch kein Vorstandsmitglied neu bestellt werden musste.
Des Weiteren ist in der Erklärung zur Unternehmensführung bzw. der Erklärung nach § 289f Abs. 4 S.2 HGB-E nun auch die gesellschaftsrechtlich vorgeschriebene Begründung für die Zielgröße Null aufzunehmen.
5. Sanktionen
Sämtliche Verstöße gegen die Berichtspflichten nach § 289f HGB-E werden nach dem Gesetzesentwurf von den handelsrechtlichen Bußgeldvorschriften (§§ 334, 340n, 341n HGB) erfasst. Der Gesetzgeber stellt klar, dass auch ein Verstoß gegen Berichtspflichten vorliegt, wenn überhaupt keine Zielgrößen oder keine Fristen für deren Erreichung festgelegt wurden. Daraus folgt, dass Unternehmen sich nicht den Berichtspflichten entziehen können, indem sie sich schon gar keine Zielgrößen setzen und damit vermeintlich „nichts zu berichten haben“. Ein Zuwiderhandeln gegen die Berichtspflicht soll ausweislich der Gesetzesbegründung auch dann möglich sein, wenn wahrheitsgemäß berichtet wird, dass keine Begründungen festgelegt wurden.
Bei Verstoß gegen die Berichtspflichten kann eine Geldbuße gegen Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder bis zu fünfzigtausend Euro betragen, bei kapitalmarktorientierten Gesellschaften sogar bis zu zwei Millionen Euro (§ 334 Abs. 1 Nr. 3a, Abs. 3 HGB-E). Gegen die Gesellschaft selbst kommt ebenso eine Geldbuße in Betracht, die ebenfalls bis zu fünfzigtausend Euro bzw. bei kapitalmarktorientierten Gesellschaften bis zu 10 Millionen Euro oder 5 Prozent des jährlichen Gesamtumsatzes, den die Kapitalgesellschaft in dem der Behördenentscheidung vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielt hat, wenn dieser Betrag 10 Millionen Euro überschreitet, betragen kann (§ 334 Abs. 1 Nr. 3a, Abs. 3a HGB-E).
6. Schlussfolgerungen für die Praxis und Ausblick
Wie oben bereits ausgeführt, ist derzeit mit einem Inkrafttreten des FüPoG II im Mai 2021 zu rechnen. Das Mindestbeteiligungsgebot müsste danach erstmal bei Vorstandsbestellungen, die nach dem 1. Januar 2022 erfolgen, berücksichtigt werden.
Die kommende Änderung sollte gleichwohl bei der strategischen Personalplanung rechtzeitig beachtet werden. Da die erste nach dem 1. Januar 2022 freiwerdende Vorstandsposition bei einem bisher rein männlichen/ weiblichen Vorstand zwingend mit einer Person des anderen Geschlechts zu besetzen ist, sollte eine entsprechende Marktsondierung für dieses Ressort frühzeitig erfolgen. Eine vorzeitige Wiederbestellung der bestehenden Vorstandsmitglieder noch in diesem Jahr wäre grundsätzlich eine Möglichkeit, sich Zeit zu erkaufen und damit sicherzustellen, dass Positionen, für die etwa schwerer eine weibliche Kandidatin zu gewinnen ist, erst später zu einer Neubestellung anstehen. Dies würde allerdings voraussetzen, dass objektive Sachgründe für eine vorzeitige Wiederbestellung des oder der bestehenden Vorstandsmitglieder vorliegen (so auch die Empfehlung in Ziff. B.4 des Deutschen Corporate Governance Kodex). Andernfalls besteht die Gefahr, dass sich das Unternehmen dem Vorwurf aussetzt, mit der taktischen Neubestellung rechtsmissbräuchliche Ziele zu verfolgen.
Auch die Begründungs- und Offenlegungsfrist bei Beschluss der Zielgröße Null ist schon jetzt im Auge zu behalten. Sie ist anzuwenden auf Lage- und Konzernberichte sowie Erklärungen zur Unternehmensführung, die sich auf ein nach dem 31. Dezember 2020 beginnendes Geschäftsjahr beziehen. Betroffene Unternehmen sollten sich daher darauf einstellen, wenn sie für ein Führungsgremium die Zielgröße Null beschließen, diesen Beschluss im kommenden Jahr öffentlich begründen zu müssen.
Trotz der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist gegenwärtig wohl davon auszugehen, dass der Zeitplan für das Gesetzgebungsverfahren eingehalten wird. Es bleibt gleichwohl abzuwarten, ob im Rahmen des weiteren Gesetzgebungsprozesses noch wesentliche Änderungen am Entwurf vorgenommen werden. Gerade etwa im Hinblick auf die Grundrechtsrelevanz des Mindestbeteiligungsgebots (Eingriff in die unternehmerische Freiheit der Anteilseigner, Art. 14 GG) könnte die bei Einführung des ersten FüPoG im Jahr 2015 geführte Diskussion um eine Härtefallklausel möglicherweise wieder aktuell werden.
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