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Einführung umfassender Hinweisgeberschutzsysteme - der Entwurf des Bundeskabinetts zum Hinweisgeberschutz verpflichtet Arbeitgeber zum Aufbau interner Meldesysteme

Datum: 2. August 2022
German Labor, Employment, and Workplace Safety Alert

Das Bundeskabinett hat am 27.07.2022 einen Entwurf für ein Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) verabschiedet.

Dieser Entwurf soll der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (HinSch-RL), dienen. Ursprünglich wurde den EU-Mitgliedsstaaten hierfür eine Umsetzungsfrist bis zum 17. Dezember 2021 gesetzt. Wegen des bisherigen Versäumnisses, eine Umsetzung der HinSch-RL in nationales Recht zu verwirklichen, hatte die EU-Kommission bereits im Januar 2022 gegen Deutschland und weitere EU-Mitgliedsstaaten ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.

Auch wenn das HinSchG derzeit noch nicht durch Bundestag und Bundesrat verabschiedet wurde, sind Arbeitgeber bereits jetzt angehalten, die Etablierung der geplanten Hinweisgeberschutzsysteme in ihren Unternehmen vorzubereiten. Es wird erwartet, dass das Gesetz im Herbst 2022 in Kraft tritt und sich daran nur kurze Übergangsfristen anschließen, die von den Unternehmen ein schnelles Handeln bezüglich der Eirichtung interner Hinweisgeberschutzsysteme fordern. Kernstück dieser Systeme wird die Einrichtung sogenannter interner Meldestellen sein.

Nach der Fassung des Entwurfs werden insbesondere die folgenden Punkte zu berücksichtigen sein (die Gesetzesangaben beziehen sich auf den Entwurf vom 27.07.2022):

Anwendungsbereich

in persönlicher Hinsicht sind geschützt (§ 1 HinSchG):
  • alle Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder in deren Vorfeld Informationen über Verstöße erlangen und diese in der nach diesem Gesetz vorgesehenen Form melden oder offenlegen, sogenannte hinweisgebende Person;
  • Personen, die Gegenstand dieser Meldung / Offenlegung sind oder sonst von diesen betroffen sind;
  • Darunterfallen: Arbeitnehmer im Sinne des Art. 45 Abs. 1 AEUV (einschließlich Beamte); Selbstständige im Sinne von Art. 49 AEUV; Anteilseigner; Personen, die dem Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan von Unternehmen angehören (auch nicht geschäftsführende Mitglieder); Freiwillige und Praktikanten; Personen, die unter Aufsicht und Leitung von Auftragnehmern und Lieferanten arbeiten;

in sachlicher Hinsicht sind Meldungen / Offenlegungen geschützt, die v.a. die folgenden Bereiche betreffen (§ 2 HinSchG):

  • Verstöße gegen nationale Rechtsvorschriften, soweit diese strafbewehrt sind;
  • Verstöße gegen nationale, bußgeldbewehrte Rechtsvorschriften, soweit diese dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit, dem Schutz der Rechte der Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dienen;
  • Unter Bezugnahme auf den Vorschriftenkatalog in der HinSch-RL Verstöße gegen Bundes- und Landesvorschriften, Rechtsakte der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft aus bestimmten Bereichen (insbes. Öffentliches Auftragswesen und Öffentliche Gesundheit, Finanzdienstleistungen, Finanzprodukte und Finanzmärkte, Verkehrssicherheit, Strahlenschutz und kerntechnische Sicherheit, Tiergesundheit und Tierschutz, Verbraucherschutz, Schutz der Privatsphäre und personenbezogener Daten, Produktsicherheit und -konformität, Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, Umweltschutz, Lebensmittel- und Futtersicherheit, Sicherheit von Netz-  und Informationssystem);
  • Verstöße gegen nationale vergaberechtliche, kartellrechtliche und steuerrechtliche Vorschriften.

Schutzsystem: Nutzung sicherer Meldekanäle, Offenlegung der Verstöße nur im Ausnahmefall

Geschützt sind Meldungen, die in folgender Art und Weise ergehen: 

über interne Meldestellen:
  • gemäß § 12 HinSchG sind „Beschäftigungsgeber“ (private Unternehmen und öffentlich-rechtliche Körperschaften) mit in der Regel mindestens 50 Beschäftigten verpflichtet, interne Meldekanäle einzurichten, mit folgendem zeitlichen Vorlauf:
    • für Beschäftigungsgeber ab 250 Beschäftigten unmittelbar nach Inkrafttreten des Gesetzes;
    • für bestimmte Institute / Unternehmen unabhängig von der Zahl der Beschäftigten unmittelbar nach Inkrafttreten des Gesetzes (Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Börsenträger, Kreditinstitute, Kapitalverwaltungsgesellschaften, u.a.);
    • für private Beschäftigungsgeber mit 50 bis 249 Beschäftigten ab dem 17. Dezember 2023;
  • Die Konzipierung der Meldekanäle muss zudem so umgesetzt werden, dass Unbefugten der Zugriff darauf verwehrt und die Vertraulichkeit der Identität des Hinweisgebers und Dritten gewährt wird;
  • Die Regelung in § 16 HinSchG sieht folgende Meldekanäle vor:
    • Meldungen müssen in mündlicher Form oder in Textform möglich sein (z.B. per E-Mail oder per eines IT-gestützten Hinweisgebersystems, Einrichtung einer telefonischen Hotline);
    • auf Wunsch muss eine persönliche Zusammenkunft möglich sein;
  • Eine Verpflichtung, anonyme Meldungen zu verfolgen, besteht nicht;
  • Für den Betrieb der Meldekanäle kann von Unternehmen auf externe Dienstleister zurückgegriffen werden;
  • Mehrere private Unternehmen mit in der Regel 50 bis 249 Beschäftigten können eine gemeinsame interne Meldestelle einrichten.
über externe Meldestellen:
  • der Bund richtet eine externe Meldestelle bei dem Bundesamt für Justiz ein. Diese hat die „Allzuständigkeit“ für alle Meldungen, die extern erfolgen, außer
  • Meldungen betreffend die Landesverwaltungen und Kommunalverwaltungen, wenn die Länder hierfür eigene Meldestellen eingerichtet haben;
  • für Meldungen nach § 21 HinSchG betreffend das FinanzdienstleistungsaufsichtsG, das GeldwäscheG ist die BAFIN zuständig;
  • für Meldungen kartellrechtlicher Verstöße bleibt das BKartellA zuständig, §§ 2 Abs.1 Nr.8, 22 HinSchG.

HINWEIS: die Staatsanwaltschaft ist keine externe Meldestelle im Sinne dieses Gesetzes!

Befugnis zur Offenlegung (Zugänglichmachen gegenüber der Öffentlichkeit), § 32 HinSchG:

Hinweisgeber haben bei Offenlegung nur unter engen Voraussetzungen Schutz nach dem HinSchG, nämlich:

  • zunächst wurde externe Meldung erstattet, diese war aber erfolglos (keine Folgemaßnahme innerhalb der Fristen oder keine Rückmeldung darüber);
  • hinreichender Grund zu der Annahme, dass Verstoß zu einer unmittelbaren oder offenkundigen Gefährdung des öffentlichen Interesses führt;
  • wenn Furcht vor Repressalien bei externer Meldung bestand;
  • wenn aufgrund besonderer Umstände zu befürchten war, dass die externe Meldestelle keine wirksamen Folgemaßnahmen ergreifen wird (v.a. Zusammenwirken mit dem Urheber des Verstoßes).

Verpflichtungen der Beschäftigungsgeber bei Meldung über interne Meldestelle: 

Nach §§ 17, 18 HinSchG haben interne Meldestellen bei Meldungen folgende Maßnahmen zu ergreifen:

  • Eingangsbestätigung innerhalb von sieben Tagen an den Hinweisgeber;
  • Prüfung, ob der Verstoß in den sachlichen Anwendungsbereich nach § 2 HinSchG fällt;
  • Kontakt mit dem Hinweisgeber halten;
  • Stichhaltigkeit der Meldung prüfen, erforderlichenfalls weitere Informationen anfordern;
  • angemessene Folgemaßnahmen ergreifen, z.B. 
    • interne Untersuchungen bei dem Beschäftigungsgeber oder der Dienststelle durchführen und betroffene Personen und Arbeitseinheiten kontaktieren
    • die hinweisgebende Person an andere zuständige Stellen verweisen
    • das Verfahren aus Mangel an Beweisen oder aus anderen Gründen abschließen.
  • Kommt es nach der Meldung eines Missstandes zu Behinderungen durch das Unternehmen oder wird die Identität des Hinweisgebers nicht vertraulich behandelt, müssen Unternehmen mit Sanktionen in Form von Bußgeldern rechnen.

Folge der ordnungsgemäßen Meldung nach dem HinSchG: Benachteiligungsschutz für den Hinweisgeber!

Gemäß § 36 HinSchG sind jegliche Formen von Repressalien gegen Hinweisgeber, die im Zusammenhang mit dem vom Hinweis betroffenen Sachverhalt stehen, verboten und verpflichten zum Schadensersatz. Als unzulässige Vergeltungsmaßnahmen zählen etwa Kündigungen, Suspendierungen, Versagung von Beförderung, Mobbing, negative Leistungsbeurteilung, Gehaltskürzungen, Diskriminierung, u. a.

Dabei gilt eine Beweislastumkehr zugunsten des Hinweisgebers.

Folge einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Falschmeldung:

Nach § 38 HinSchG sind Hinweisgeber, die vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige Informationen melden oder offenlegen, zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Außerdem erfüllt dies ebenfalls den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit. 

Bußgeldvorschriften, § 40 HinSchG:

Das HinSchG sieht weitere Ordnungswidrigkeiten vor:

So stellen das Nichteinrichten eines internen Meldekanals entgegen der Verpflichtung aus § 12 HinSchG und ebenso eine Verletzung des Verbots von Repressalien Ordnungswidrigkeiten dar, die mit Geldbußen bis zu 20.000, bzw. bis zu 100.000,- Euro belegt sind. 

Unsere Anmerkungen und Hinweise zum Gesetzesentwurf: 

Der Gesetzesentwurf hat einen ausufernden Anwendungsbereich erhalten, der über die Vorgaben der europäischen Richtlinie hinausgeht. Es ist daher zu erwarten, dass die Bewertung eingehender Hinweise aufgrund der Komplexität und der Notwendigkeit der Abgrenzung zu anderen Rechtsgebieten vor allem Juristen vorbehalten bleiben wird. Diese können auch als externe Dritte beauftragt werden, allerdings sind intern wie extern Interessenkonflikte zu vermeiden. Dies gilt zum Beispiel für den ständigen rechtlichen Berater (Arbeitsrecht, Kartellrecht) wie auch für Syndikusanwälte im Unternehmen und im Grunde auch für die Personalabteilung eines Unternehmens. Diese dürften als Bearbeiter von Hinweisen nach dem HinSchG ausscheiden. 

Die Implementierung der internen Meldestelle ist ebenfalls rechtlich und ggfs. auch technisch komplex und sollte gut vorbereitet werden. Dies gilt zum Beispiel für die Einbindung des betrieblichen Datenschutzbeauftragten. Auf dem Markt angebotene IT-Lösungen, die die automatisierte Bearbeitung von Hinweisen ermöglichen, erfordern sicher die Mitwirkung des Betriebsrats nach § 87 Abs.1 Nr.6 BetrVG und müssen daher mit diesem verhandelt werden.

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