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COVID-19: Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Pandemie

Datum: 30. März 2020

Am 25. März 2020 hat der Deutsche Bundestag das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ als Teil des sog. Corona-Pakets verabschiedet. Der Bundesrat hat dem Gesetzespaket am 27. März 2020 zugestimmt, das noch am selben Tag in Kraft getreten ist.

Neben Regelungen zum Strafprozessrecht enthält das Gesetz Regelungen im Bereich des allgemeinen Zivilrechts, des Insolvenzrechts, des Gesellschaftsrechts und des Strafprozessrechts. Wegen der neu geschaffenen Regelungen zum Insolvenzrecht und zum Gesellschaftsrecht verweisen wir auf die gesonderten Alerts unserer Corporate Praxisgruppe.

Weitgehende Beschränkung auf Verbraucher und Kleinstunternehmer
Im Gegensatz zu den gesellschafts- und insolvenzrechtlichen Regelungen richten sich die die Regelungen zum allgemeinen Zivilrecht vornehmlich an Verbraucher und Kleinstunternehmen im Sinne der Empfehlung 2003/361/EG der Kommission vom 6. Mai 2003. Das sind Unternehmen, die weniger als 10 Personen beschäftigen und deren Jahresumsatz bzw. Jahresbilanz 2 Mio. EUR nicht überschreitet.

Im Bereich des allgemeinen Zivilrechts wird das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch („EGBGB“) um einen Artikel 240 ergänzt, der am 30. September 2022 wieder außer Kraft treten soll. Der neu geschaffene Art. 240 EGBGB regelt

  • Ein bis zum 30. Juni 2020 befristetes Leistungsverweigerungsrecht bei „wesentlichen Dauerschuldverhältnissen“ - das sind nach der Gesetzesbegründung solche Dauerschuldverhältnisse, die zur Eindeckung der Daseinsvorsorge erforderlich sind, z.B. Pflichtversicherungen, Verträge über die Lieferung von Strom und Gas oder über Telekommunikationsdienste -, wenn ein Leistungshindernis auf die COVID-19 Pandemie zurückzuführen ist (Art. 240 § 1 EGBGB);
  • Eine Beschränkung des Kündigungsrechts des Vermieters oder Verpächters bei Miet- und Pachtverhältnissen über Grundstücke oder Räume, wenn der Mieter bzw. Pächter im Zeitraum vom 1. April 2020 bis zum 30. Juni 2020 die Miete bzw. Pacht nicht leistet und die Nicht-Leistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht (Art. 240 § 2 EGBGB);
  • Eine Stundungsregelung sowie einen Kündigungsausschluss bei Darlehensverträgen, wenn die Erbringung von im Zeitraum vom 1. April 2020 bis zum 30. Juni 2020 fälligen Zins- und Tilgungsleistungen für den Darlehensnehmer nicht zumutbar ist, weil er aufgrund der durch die Ausbreitung der COVID-19-Pandemie Einnahmeausfälle hat (Art. 240 § 3 EGBGB).

Art. 240 § 1 EGBGB, der das Leistungsverweigerungsrecht bei „wesentlichen Dauerschuldverhältnissen“ regelt, gilt nur für Verbraucher sowie für Kleinstunternehmer. Art. 240 § 3 EGBGB betreffend die Stundung und den Kündigungsausschluss bei Darlehensverträgen gilt grundsätzlich nur für Verbraucherdarlehensverträge. Zwar enthält Art. 240 § 3 Abs. 8 EGBGB eine Verordnungsermächtigung, die es erlaubt, den Anwendungsbereich der Bestimmung auszudehnen - allerdings wiederum (nur) auf Kleinstunternehmen.

Einzig Art. 240 § 2 EGBGB, der den Ausschluss des Kündigungsrechts bei Miet- und Pachtverhältnissen regelt, ist nicht auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt. Insoweit wird unsere Real Estate Praxisgruppe einen gesonderten Alert veröffentlichen.

„Force Majeure“ und Leistungsstörungen im deutschen Recht
Unternehmen, die keine „Kleinstunternehmen“ sind, hilft das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht also nicht. Das Gleiche gilt - auch für den in Art. 240 EGBGB genannten Personenkreis - für nicht „wesentliche“ Dauerschuldverhältnisse sowie für sonstige Verträge.

Leistungsverweigerungs- oder -anpassungsrechte können sich allerdings aus den geschlossenen Verträgen selbst sowie aus den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen ergeben.

Vertragliche Vereinbarungen („Force Majeure“)
In Verträgen, die deutschen Recht unterliegen, sind die im anglo-amerikanischen Rechtskreis häufig gebräuchlichen sog. „Force Majeure“- oder „Act of God“-Klauseln eher die Ausnahme als die Regel. Ist eine solche Klausel vorhanden, so richten sich die Voraussetzungen für und die Rechtsfolgen einer „Force Majeure“ nach den vertraglichen Vereinbarungen. Typischerweise sind Epidemien in „Force Majeure“-Klauseln ausdrücklich angesprochen. Fehlt es hieran und enthält die Klausel auch keinen Auffangtatbestand, so ist die Reichweite der Klausel durch Auslegung zu bestimmen. Das gleiche gilt für die Frage, ob die gesetzlichen Bestimmungen ergänzend herangezogen werden können.

Gesetzliche Bestimmungen
Dem Bürgerlichen Gesetzbuch ist der Begriff der „Force Majeure“ fremd. Lediglich im besonderen Schuldrecht findet sich vereinzelt der Begriff der „höheren Gewalt“. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Reiserecht „ein von außen kommendes, auch durch die äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis, das weder der betrieblichen Sphäre des Reiseveranstalters noch der persönlichen Sphäre des Reisenden zuzuordnen ist“ (BGH, Urteil vom 16.05.2017 - X ZR 142/15). Indessen gibt es im deutschen Recht keine Bestimmung, die in Fällen „höherer Gewalt“ ein allgemeines Leistungsverweigerungs- oder -anpassungsrecht statuiert.

Vertragsparteien, die sich wegen der COVID-19 Pandemie auf einen Ausschluss oder auf eine Anpassung ihrer Leistungspflichten berufen wollen, sind damit auf das allgemeine Leistungsstörungsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches, namentlich auf § 275 BGB betreffend die Unmöglichkeit sowie auf § 313 BGB betreffend den Wegfall bzw. die Anpassung der Geschäftsgrundlage, angewiesen.

§ 275 Abs. 1 BGB (Unmöglichkeit)
Nach § 275 BGB wird der Schuldner von seiner Leistungspflicht frei, soweit die Leistung für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist. Hinsichtlich der vom Gesetzgeber nunmehr in Art. 240 EGBGB geregelten Fälle der Nicht-Zahlung von Geldschulden ist dabei zu berücksichtigen, dass § 275 Abs. 1 BGB für Geldschulden von vornherein nicht gilt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat vielmehr jedermann nach dem Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung ohne Rücksicht auf ein Verschulden für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen (BGH, Urteil vom 04.02.2015 - VIII ZR 175/14). Außerhalb des Anwendungsbereichs des Art. 240 EGBGB bleibt es daher bei dem Grundsatz „Geld hat man zu haben“.

Ob ein Schuldner nach § 275 Abs. 1 BGB von seiner vertraglichen Hauptleistungspflicht - also z.B. der Verpflichtung zur Erbringung einer Dienstleistung oder zur Lieferung einer bestellten Ware - frei werden kann, richtet sich wie stets nach den Umständen des konkreten Falles. In Betracht kommen insoweit vor allem die - ggf. vorübergehende - subjektive Unmöglichkeit, d.h. die in der Person des zur Leistung Verpflichteten liegende Unmöglichkeit, die geschuldete Leistung zu erbringen; ferner die Unmöglichkeit bei sog. absoluten Fixgeschäften, bei denen die Pünktlichkeit für die Erfüllung des Leistungserfolgs so wesentlich ist, dass eine verspätete Leistung keine Erfüllung (mehr) darstellt.

Folge der Unmöglichkeit ist, dass der Schuldner - etwa ein Dienstleister oder Lieferant - von seiner Leistungspflicht (vorübergehend) befreit ist. In diesem Fall ist auch der Vertragspartner gemäß § 326 Abs. 1 BGB nicht verpflichtet, die Gegenleistung - z.B. die Vergütung für die Dienstleistung oder den Kaufpreis - zu erbringen. Ferner kann er gemäß § 326 Abs. 5 BGB vom Vertrag zurücktreten. Unberührt bleiben Schadensersatzansprüche, die allerdings ein Verschulden voraussetzen, an dem es in Fällen der COVID-19 Pandemie als „höhere Gewalt“ fehlen dürfte.

§ 313 Abs. 1 BGB (Wegfall bzw. Anpassung der Geschäftsgrundlage)
Ferner kommt in Betracht, dass die Auswirkungen der COVID-19 Pandemie derart schwerwiegend in die Geschäftsgrundlage eines Vertrages eingreifen, dass dieser - ggf. vorübergehend - gemäß § 313 Abs. 1 BGB anzupassen ist. Nach dieser Bestimmung kann eine Vertragspartei die Anpassung eines Vertrages verlangen, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten. Ist die Vertragsanpassung nicht möglich, so besteht gemäß § 313 Abs. 3 BGB ein Kündigungsrecht.

Voraussetzung ist, dass einer Vertragspartei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Geschäftsgrundlage sind dabei die bei Abschluss eines Vertrages zutage getretenen, dem anderen Teil erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Partei oder die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut.

Der Anwendungsbereich des § 313 Abs. 1 BGB ist grundsätzlich eröffnet. Zwar wird in der juristischen Literatur diskutiert, dass die durch wirtschaftliche oder soziale Katastrophen verursachte Not und die dadurch entstehenden Probleme nicht über § 313 Abs. 1 BGB sollen gelöst werden können, sondern dass insoweit in Tätigwerden des Gesetzgebers erforderlich sei (Grüneberg, in: Palandt, 79. Auflage, 2020, § 313 Rn. 5). Gesundheitliche Katastrophen mit noch dazu weltweiten Auswirkungen wie die COVID-19 Pandemie wurden in diesem Zusammenhang allerdings naturgemäß (noch) nicht erörtert. Auch ist den Gesetzesmaterialen zum Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber dem von Art. 240 EGBGB nicht erfassten Personenkreis den durch die allgemeinen Bestimmungen gewährten Schutz versagen wollte.

Ob nach den zuvor genannten Bestimmungen eine Unmöglichkeit vorliegt oder eine Vertragsanpassung verlangt werden kann, ist sodann einzelfallbezogen rechtlich zu prüfen. Gerne stehen wir Ihnen hierfür zur Verfügung. K&L Gates hat bereits zahlreichen Mandanten bei der Bewertung vertraglicher Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit der COVID-19 Pandemie unterstützt.

Disclaimer
Die durch die so genannte Corona-Krise geschaffene Situation ist in Deutschland bisher ohne Beispiel, weshalb zu den hiermit verbundenen Rechtsfragen keine fundierte Rechtsprechung vorliegt. Entwicklungen, die in der Zeit nach dem 25. März 2020 liegen, sind in diesem Alert nicht berücksichtigt. Die Aussagen in diesem Alert ersetzen keine Rechtsberatung im konkreten Fall und K&L Gates LLP übernimmt für die Aussagen und rechtlichen Wertungen darin keine Haftung.

Für eine weitergehende Beratung kontaktieren Sie gerne jederzeit Ihre Ansprechpartner bei K&L Gates LLP.

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